Ministerin versteht Sorgen der Landwirte
Reinhard Holle (62) ist Landwirt im Nebenerwerb. Zusätzlich zur Schweinemast bewirtschaftet er rund 40 Hektar Ackerland. 16 Hektar davon gehören ihm selbst. Und weil seine gesamten Flächen in Naturschutzgebieten liegen, steht der Oppenweher nun vor großen Problemen. Aufgrund der Insektenschutzpakets des Bundes und der damit verbunden Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung darf er auf diesen Flächen keine Pflanzenschutzmittel mehr ausbringen, was nicht ohne Auswirkungen auf den Ertrag bleibt.
„Das ist so, als wenn mir jemand ein Fahrrad ohne Pedale hinstellt“, sagte der Landwirte gegenüber der NRW-Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser. Die Kölnerin war auf Einladung von Reinhard Holle und durch Vermittlung der CDU-Landtagsabgeordneten Bianca Winkelmann in den Mühlenkreis gekommen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Mit dabei waren auch weitere betroffene Landwirte aus Stemwede, Kreislandwirt Volker Schmale, der WLV-Kreisvorsitzende Rainer Meyer, WLV-Präsident Hubertus Beringmeier, der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Oliver Vogt (Mitglied im Landwirtschaftsausschuss) und der Stemweder Bürgermeister Kai Abruszat.
Reinhard Holle und die Landwirte machten aus ihrer Verärgerung keinen Hehl. „Das gleicht einer Enteignung. Meine Flächen sind dadurch von einem auf den anderen Tag viel weniger wert“, so Reinhard Holle. Eigentlich hatte er die auch als Altersvorsorge eingeplant, das sei nun hinfällig.
Landesministerin Ursula Heinen-Esser stand nickend daneben und äußerte großes Verständnis für die Kritik an der Berliner Entscheidung: „Das, was dort entschieden wurde, entspricht nicht unserer Linie, deshalb haben wir im Bundesrat auch nicht zugestimmt. Der NRW-Weg war immer der über Freiwilligkeit und Anreize.“ Auch WLV-Präsident Hubertus Beringmeier hätte sich gewünscht, dass es beim kooperativen Ansatz geblieben wäre: „Wir waren von der Entscheidung des Bundes sehr verärgert. Das ist ein Eingriff in unser Eigentum.“
Ursula Heinen-Esser berichtete von den Härtefall-Regelungen, die in NRW auf den Weg gebracht wurden. „Wir kommen als Land an der Verordnung des Bundes nicht vorbei, deshalb müssen wir das bestehende System für die Betroffenen so erträglich wie möglich machen.“ So können sich Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen befreien lassen, wenn 30 Prozent ihrer Fläche in Naturschutzgebieten liegen oder es zu 15 Prozent Umsatzeinbußen kommt.
Rainer Meyer fand dafür lobende Worte: „Wir sind froh, dass es so schnell zu dieser Lösung gekommen ist. Das hilft sehr.“ Er und die Anwesenden machten aber auch klar, dass das noch nicht reiche. Bei gut 3.000 Naturschutzgebieten in NRW könne nicht das Land einspringen, unterstrich Bianca Winkelmann. „Unsere Position ist klar: Kein Eingriff ohne Ausgleich! Wenn Berlin unzähligen Landwirten die Arbeit erheblich erschwert, muss Berlin das auch ausgleichen.“
Der Landtagsabgeordneten und Agrarpolitikerin ist es außerdem ein wichtiges Anliegen, beim Rückgang der Artenvielfalt das gesamte Bild zu betrachten. „Dies allein der Landwirtschaft zuzuschreiben, ist falsch. Wir müssen beispielsweise auch darüber reden, wie wir die Lichtverschmutzung in den Großstädten verringern und für mehr Grün in der City sorgen.“ Dr. Oliver Vogt kritisierte, dass die eigentliche Aufgabe der Landwirtschaft immer mehr in den Hintergrund rücke. „Es geht um die Produktion von Lebensmitteln und Versorgungssicherheit. Eine intakte Landwirtschaft ist die Bedingung dafür, dass es regionale Lebensmittel gibt.“
Auch Bürgermeister Kai Abruszat würde sich mehr Freiwilligkeit statt genereller Verbote wünschen. „Der Weg geht nur über Kooperation statt Konfrontation.“ Der Verwaltungschef hatte das Gästebuch der Gemeinde zu dem Termin mitgebracht. Ursula Heinen-Esser trug sich darin ein und steht nun zwischen einigen weiteren Landespolitikern wie dem jetzigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst oder Heimatministerin Ina Scharrenbach.