"Erklären Sie mal, was ist denn die Vertrauensfrage"
Was ist die Vertrauensfrage?
Der Artikel 68 des Grundgesetzes gibt dem Bundeskanzler das Recht, im Bundestag jederzeit den Antrag zu stellen, ihm das Vertrauen auszusprechen (sog. Vertrauensfrage). Er kann dabei diesen Antrag mit einer Sachfrage verbinden. Das Grundgesetz schreibt ferner vor, dass zwischen dem Antrag und der Abstimmung mindestens 48 Stunden liegen müssen. Der Bundeskanzler allein entscheidet, ob und wann er die Vertrauensfrage einsetzt. Er kann dazu nicht gezwungen werden. Die Vertrauensfrage ist für den Bundeskanzler die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. In der Geschichte der Bundesrepublik wurde erst fünf Mal durch einen Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt.
Wie wird die Vertrauensfrage beantragt?
Der Bundeskanzler richtet ein kurzes Schreiben an den Präsidenten des Bundestages, in dem er beantragt, ihm das Vertrauen auszusprechen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die heutige Vertrauensfrage vergangenen Mittwoch bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und damit mehr als 48 Stunden vor der Abstimmung beantragt. Das von ihm persönlich unterzeichnete Schreiben besteht nur aus zwei Sätzen: „Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Montag, dem 16. Dezember 2024, hierzu eine Erklärung abzugeben."
Wie läuft die Bundestagssitzung ab?
Um 11:00 Uhr kommen im Bundestag zunächst die Fraktionen zu ihren Sitzungen zusammen, um sich auf die Abstimmung vorzubereiten. Um 13:00 Uhr beginnt dann die Plenarsitzung. Der Bundeskanzler wird zu Beginn seine Beweggründe für die Vertrauensfrage darlegen. Im Anschluss an die Erklärung des Bundeskanzlers schließt sich eine etwa zweistündige Debatte an, in der Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kommen werden. Anschließend wird namentlich abgestimmt.
Was ist eine „namentliche Abstimmung“?
Eine namentliche Abstimmung bedeutet, dass jeder Abgeordnete eine mit seinem Namen versehene Stimmkarte in der passenden Farbe in eine Wahlurne wirft. Es gibt drei Farben: Blau für Ja, Rot für Nein und Weiß für Enthaltung. Auf diese Weise wird das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten festgehalten und später veröffentlicht.
Welche Konsequenzen folgen aus dem Abstimmungsergebnis?
Dem Bundestag gehören aktuell 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Bundeskanzler Olaf Scholz mindestens 367 Stimmen erhalten, also die absolute Mehrheit, auch „Kanzlermehrheit“ genannt. Gewinnt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage, dann besitzt er weiterhin eine Mehrheit im Bundestag und kann mit seiner Regierung weiterregieren. Verliert er die Vertrauensfrage, dann kann er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen.
Welche Möglichkeiten hat der Bundespräsident?
Der Bundespräsident kommt erst ins Spiel, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage verliert und dieser um die Auflösung des Bundestages bittet. Der Bundespräsident hat hierzu 21 Tage Zeit, in unserem Falle also bis zum 06. Januar 2025. Wenn Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier sich dafür entscheidet, den Bundestag aufzulösen, dann muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Der Bundespräsident hat allerdings auch das Recht, die Auflösung des Bundestages zu verweigern. Artikel 68 des Grundgesetzes besagt nur, dass der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann, aber nicht muss. Das Recht des Bundespräsidenten erlischt allerdings, falls der Bundestag innerhalb dieser 21 Tage einen neuen Bundeskanzler wählt.
Was passiert nach der Vertrauensfrage mit Bundestag und Bundesregierung?
Der Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt des neu gewählten Bundestages mit allen Rechten und Pflichten bestehen. Der Bundestag kann jederzeit wieder zusammentreten und weiterhin Gesetze beschließen. Auch der Bundeskanzler und die Bundesregierung bleiben im Amt. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestages spätestens 30 Tage nach der Wahl endet gemäß Artikel 69 des Grundgesetzes die Amtszeit des Bundeskanzlers und der Bundesminister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die bisherige Bundesregierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen Regierung weiterzuführen.